Geschichte

Orgelbauer und Organistenpersönlichkeiten


Zu den bedeutenden Orgelbauern gehört Gottfried Fritzsche (1578-1638) aus Dresden. In unserem Gebiet sind folgende Arbeiten von ihm dokumentiert:
 

1617Neubau Schöningen Schloßkapelle
1619-23Neubau Wolfenbüttel, Hauptkirche B.M.V.
1621Neubau Schloßkirche Wolfenbüttel
1621-23Neubau Braunschweig, St. Katharinen
1626-27Neubau Braunschweig, St. Ulrici Brüdern


Gottfried Fritzsches Meistergesellen Jonas Weigel (gest. 1663), Franz Theodor Kretschmar und Friedrich Stellwagen (gest. 1659) erbauten in Braunschweig von 1630 bis 1631 eine Orgel in St. Martini, von der noch der Prospekt erhalten ist.

Die Abnahme der Braunschweiger Martiniorgel erfolgte durch Melchior Schilds aus Hannover. Als Organist wurde der aus Braunschweig gebürtige und vorher in Celle als Schloßorganist wirkende Delphin Strunck berufen. Von Weigels Neubau in der St. Vincenzkirche in Schöningen 1658 sind nur der Hauptwerksprospekt und ein Register erhalten.

Herzog August d. J. scheint die Schaltstelle im Kontakt zwischen den berühmten Hamburger Organisten und den braunschweigischen Kollegen gewesen zu sein. In der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel finden sich mehrere autographe Tabulaturschriften, denen zum Teil Widmungen an ihn beigechoral
fügt sind. Neben Orgelchorälen von Hieronymus und Jacob Praetorius werden noch eine Toccata und Claviervariationen von Heinrich Scheidemann aufbewahrt, wobei am Papier noch die ursprüngliche Faltung als Brief zu erkennen ist.

Als komponierender Organist war Delphin Strunck (1601-1694) eine herausragende Persönlichkeit. Seine Familie und Schüler hielten alle Organistenstellen in Braunschweig besetzt. Von Strunck sind eine Huldigungsmusik (vokal/instrumental) sowie Orgelwerke erhalten, von denen die meisten aber während seiner Zeit als Hoforganist in Celle komponiert wurden. Es handelt sich um eine Toccata, zwei Choralfantasien, eine Choralbearbeitung und vier Motettenintavolierungen, von denen nur eine aufgrund ihres Tonumfangs und der Datierung während seiner Braunschweiger Zeit als Martiniorganist (ab 1637) entstanden ist.

Ab 1684 wirkte der Reincken und Buxtehudeschüler Georg Dietrich Leyding (1664-1710) an der Braunschweiger St. Ulrichs und St. Blasiuskirche (Dom). Von seinen Kompositionen haben sich nur drei Praeludien und zwei Choralbearbeitungen durch mitteldeutsche Überlieferung erhalten.

Von den großartigen Orgelinstrumenten aus dieser Blütezeit der Orgelkunst im Braunschweiger Land blieb fast nichts erhalten. Im Bereich der Landeskirche existiert noch der Prospekt des späten 17. Jahrhunderts in der St. Jakobikirche in Goslar.

Eine Reise durch die historischen Orgeln der Region


Aus dem 18. Jahrhundert blieben keine größeren Instrumente in den Städten erhalten, dafür ist noch viel originale Substanz in Kleinstadt und Dorfkirchen im Harzvorland vorhanden. Es handelt sich um ein oder meist zweimanualige Instrumente mit besonders gediegen konstruierten Spieltrakturen. Sie lassen den Einfluss des in dieser Gegend in hoher Blüte stehenden Clavierbaus erkennen. Viele neuartige Register, besonders überblasende Flötenstimmen, weisen schon auf das 19. Jahrhundert hin.

Einer der eindrucksvollsten Prospekte befindet sich in Hornburg. Er stammt von Christoph Cuntius aus Wernigerode, der vor allem durch den Bau der Marktkirchenorgel in Halle hervorgetreten ist, die 1716 u. a. von Johann Sebastian Bach und Johann Kuhnau abgenommen wurde. Der Kostenanschlag für Hornburg stammt aus dem Jahre 1707 und umfaßte 32 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Figuren auf dem Gehäuse waren z. T. beweglich; in den beiden Posaunenengeln befand sich jeweils eine klingende Zungenpfeife. Das Werk sollte 600 Thaler kosten. 1894 baute Röver (Hausneindorf) ein pneumatisches Werk mit 25 Registern hinter den barocken Prospekt. Bis in die jüngste Zeit wurden leider romantische Stimmen entfernt und durch neobarocke Register ersetzt.

Bis auf die Windanlage und die Zungenstimmen fast vollständig erhalten ist die von Johann Adolarius Papenius aus Halberstadt gebaute Orgel in Roklum. Als Vorbild für die Restaurierung wird die Papenius-Orgel aus Hordorf bei Oschersleben (1747) dienen, die seit 1979 in Belzig (Fläming) aufgestellt ist.

Die Orgel in Lochtum bei Vienenburg wurde 1972 von der Firma Schuke (Berlin) vollständig restauriert. Das Instrument wurde 1746 von einem Meister aus dem nordöstlichen Harzvorland erbaut, der aber bisher noch nicht ermittelt werden konnte. Es ist die einzige in der Ev.luth. Landeskirche in Braunschweig vollständig wiederhergestellte Barockorgel. Vielleicht vom gleichen Erbauer stammt das weit weniger vollständig erhaltene Instrument in Werlaburgdorf.

Ein Kleinod ist die einzige in Niedersachsen erhaltene Orgel von Johann Daniel Boden (1733-1810), erbaut um 1766, in Sambleben am Elm. Daniel Boden entstammt vermutlich der Halberstädter Orgelbauschule und war auch als Clavierbauer und Verleiher tätig. Er hatte seine Werkstatt in Helmstedt. Neben dem Samblebener Instrument sind auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts noch zwei weitere Instrumente aus seiner Hand auf uns gekommen.

In den katholischen ehemaligen Schloß und Klosterkirchen des unmittelbaren Harzvorlandes haben sich einige wertvolle Instrumente eines einst sehr reichhaltigen Bestandes in unsere Zeit gerettet; zu ihnen gehören die Werke in Liebenburg und Salzgitter-Ringelheim.

Im Mittelpunkt eines breiten Publikumsinteresses steht das Repräsentationsinstrument im ehemaligen Augustinerchorherrenstift Grauhof, erbaut 1734 bis 1737 von Christoph Treutmann aus Magdeburg, dessen Restaurierung durch die Werkstatt Hillebrand 1992 abgeschlossen wurde.

Von den kleineren Landorgeln des frühen 19. Jahrhunderts sind nur wenige klanglich vollständig erhalten. Bei den Instrumenten von Theodor August Carl Boden (1802-1853) hat dies seinen Grund in der geringen Qualität seiner Bauweise, aber auch im mangelnden denkmalpflegerischen Bewußtsein nach dem Krieg. August Boden war ein Enkel des oben erwähnten Johann Daniel Boden. Technisch anspruchsvoll wurde 1993 die mit einem nur geringfügig originalen Pfeifenbestand erhaltene Orgel in Warberg aus dem Jahre 1842 von der Werkstatt Rietzsch aus Hiddestorf bei Hannover restauriert. Ein schönes, klanglich verändertes, im Moment unspielbares Instrument von 1841 steht in einer Kirche mit einem wertvollen Interieur in Seinstedt bei Hornburg.

Conrad Friedrich Eulers (1791-1874) Orgel aus dem Jahre 1874 in Warle bei Schöppenstedt ist vollständig erhalten, wenn auch im Moment technisch und klanglich nachteilig verändert. Sie wartet auf eine sorgfältige Wiederherstellung.

1993 wurde die Orgel von Johann Andreas Engelhardt (1800-1866) in Westerlinde durch die Firma Schmidt (Christoph Grefe, Hannover-Langenhagen) restauriert. Von der Kunst seines Sohnes Gustav Carl zeugt ein unrestauriertes dreimanualiges Instrument in Heimburg bei Blankenburg (1871).

Weitere Orgelbauer können hier nur unvollständig aufgezählt werden: Titus Albert Eindrum (1827-1878); seine Orgel in Bevenrode bei Braunschweig von 1864 ist dringend überholungsbedürftig. Vom dunklen und vollen Klang der Orgeln Gustav Adolf Appelts gibt ein Umbau einer August-Boden-Orgel in Räbke bei Königslutter (1877/78) Auskunft. Das Instrument wurde 1996 in einem ersten Bauabschnitt durch die Firma Schuke (Berlin) restauriert.

Aus den zahlreichen am Ende des 19. Jahrhunderts von der Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) gebauten Orgeln ragt klanglich und technisch die mechanische Kegelladenorgel des Jahres 1889 in Sierße bei Vechelde hervor. Das Instrument im Dom zu Königslutter ist im Registerbestand unvollständig. Die lauten Kegel und Mechanikgeräusche sowie eine grundsätzlich nicht günstig angelegte mechanische Traktur lassen eine einigermaßen kostengünstige Überholung und eine zufriedenstellende Nutzung schwierig erscheinen.

Klanglich fast unverändert erhalten ist eine am Beginn des 20. Jahrhunderts gebaute Orgel in der St. Johanniskirche in Braunschweig. Das von der Firma Furtwängler & Hammer 1905 auf Kegelladen mit pneumatischer Traktur gebaute Instrument wurde nach Beschädigungen im Jahre 1944 von der Firma Schmidt & Thiemann wiederhergestellt. Dabei wurde die Spiel und Registertraktur elektrisch angelegt.

Braunschweig verlor durch die Zerstörungen des Krieges die wunderbaren Prospekte in St. Andreas (um 1634) und St. Magni (vor 1647), die zu den schönsten Beispielen der Prospektgestaltung aus der Zeit des 30jährigen Krieges in Niedersachsen gehörten. Auch der flächig gehaltene Prospekt des 18. Jahrhunderts in St. Bartholomäus wurde 1944 zerstört.

An Neubauten von überregionaler Bedeutung sind aus der Nachkriegszeit die viermanualigen Schuke-Orgeln von 1960 in der Hauptkirche B.M.V. in Wolfenbüttel und von 1962 im Braunschweiger Dom zu nennen. Die gleiche Firma restaurierte und rekonstruierte 1994 den Prospekt der Jonas-Weigel-Orgel in der St. Vincenzkirche in Schöningen und baute ein neues Werk hinter den alten Prospekt."

Quelle

Autor: Rüdiger Wilhelm

Abdruck mit freundlicher Genehmigung: Verlag Hauschild, Hans-Bredow-Str. 7, 28307 Bremen.

Aus "Orgeln in Norddeuschland", Bremen 1997, S. 66ff.