Evangelisch in Tschechien

Organisation

Zur Schlesischen Kirche A.B. in der tschechischen Republik gehören rund 15.600 Gemeindeglieder in 21 Gemeinden. Neben 32 Pfarrern, drei Vikaren und drei Diakonen kümmern sich drei Hilfsgeistliche in Krankenhäusern und viele ehrenamtliche Mitarbeitende um das geistliche Leben der Gemeinden.

Das höchste Gremium der Schlesischen Kirche ist die Synode. Die Kirche wird durch einen aus neun Mitgliedern (vier Ordinierte und fünf Nichtordinierte) bestehenden Kirchenrat geleitet. An der Spitze der Kirche steht der Bischof.

Die Schlesische Kirche ist auf einem verhältnismäßig kleinen Territorium tätig: etwa 100 Kilometer lang und etwa 40 km breit. Die Region des zu Teschen gehörenden Teils von Schlesien liegt im Nordosten der Tschechischen Republik. Seit einigen Jahren entfaltet die Schlesische Kirche A. B. ihre Aktivitäten in Prag, Brünn und ist auch in Bruntál und Umgebung missionarisch tätig.


Geschichte

Noch zu Lebzeiten Luthers fasste die Reformation in dem zu Teschen gehörenden Teil Schlesiens Fuß. Bereits um 1550 war das gesamte Land evangelisch geprägt. Der Teschner Fürst Václav Adam aus dem Geschlecht der Piasten war ein eifriger Befürworter der Reformation, er verhalf den Evangelischen zu einem ersten organisatorischen Aufbau ihrer Kirche und begründete eine liturgische Ordnung. Der Sohn Václav Adams, Adam Václav, jedoch wurde katholisch und begann die Evangelischen zu verfolgen. Seit 1617 wurden den Evangelischen Kirchen weggenommen, und im Jahr 1654 wurden ihnen die letzten 50 Kirchen geraubt. Die evangelischen Pfarrer verwies man des Landes, und Gottesdienste wurden verboten.

Geistliche Erweckung

Zu den Pfarrern gehörte auch Jirí Tranovský (1592-1637), der in Teschen geboren wurde. Nur die Treuesten blieben bei ihrem Bekenntnis und trafen sich auf geheimen Versammlungen in den Bergen und Wäldern. Erst nach 50 Jahren schwerer Verfolgung erhielten die Evangelischen dank der Bemühungen des schwedischen Königs und „aus Gnaden“ des Kaisers in Wien die Kirche in Teschen am Höheren Tor (1709). Unter dem Einfluss pietistischer Prediger und Lehrer in den Jahren 1709 bis 1730 kam es zu einer geistlichen Erweckung, die viele Menschen erfasste.

Die Nachkommen der Anhänger von J. A. Comenius (1592–1670) aus Suchdol wurden durch die Predigt von J. A. Steinmetz zur Nachfolge Christi ermutigt. Sie verließen ihre Güter und gründeten im Jahr 1722 im Kurfürstentum Sachsen die Gemeinde Herrnhut, aus der seit 1732 Missionare in die ganze Welt ausgesendet wurden. Die Kirche in Teschen wurde so ein Ursprungsort der Weltmission und Mutter vieler evangelischer schlesischer Gemeinden.

Im Jahr 1781 erließ Kaiser Josef II. ein Toleranzpatent, das den Evangelischen in den Habsburger Ländern die Gründung neuer Gemeinden und den Bau von Bethäusern ermöglichte. Bald nach diesem Erlass wurden neue Kirchengemeinden in Bludovice, Komorní Lhotka, Návsí und in anderen Ortschaften des Teschner Landes gegründet. Eine völlige Gleichstellung mit den Katholischen erreichten die Evangelischen erst nach dem Jahr 1848 durch das sogenannte Kaiserliche Patent.

Freiheit als Herausforderung

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam es zu einer neuen Welle der geistlichen Erweckung, aus der die Christliche Gemeinschaft und die evangelische Diakonie hervorgingen. Später wurde die Region wesentlich von den nationalistischen Streitigkeiten und Kriegen betroffen. Im Zweiten Weltkrieg wurden fast alle örtlichen Pastoren am Dienst gehindert, einige wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt oder verhaftet. Ein Fünftel von ihnen kam in den Konzentrationslagern ums Leben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich das kommunistische Regime das Ziel, die Religion auszurotten. Daher bemühten sich die Machthaber darum, alle Aktivitäten der Kirche zu kontrollieren und zu drosseln. Diesem Druck widersetzte sich eine Missionsbewegung unter der Leitung vom Pastor Vladislav Santarius (1915-1989).

Die heutige Freiheit, die verbunden ist mit einer Abnahme des Interesses am christlichen Glauben, stellt für die Kirche eine Herausforderung dar: Den Kindern wird das Wort Gottes in Kindergottesdiensten, im Religionsunterricht an den Schulen und im Konfirmandenunterricht nahe gebracht. Die Jugendlichen nach der Konfirmation treffen sich in Gruppen der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen.

Den Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, hilft die Schlesische Diakonie in ihren 45 Einrichtungen. In der Justizvollzugsanstalt arbeitet ein Gefängnisgeistlicher und einige Gemeinden nehmen an Programmen teil, in denen sie die Menschen, die im Widerspruch zum Gesetz stehen, zur Versöhnung mit Gott und den Menschen ermutigen.

Der Schwerpunkt der Kirche liegt auf dem Studium der Bibel. Zum Lobpreis Gottes sind verschiedene Musik- und Gesangsgruppen tätig, von denen sich die Jugendgruppen und Bläsergruppen großer Beliebtheit erfreuen.


Ökumene

Die Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses gehört zum Verband der christlichen Gemeinschaften, die im Ökumenischen Rat der Kirchen in Tschechien zusammengeschlossen sind. Sie ist Mitglied des Lutherischen Weltbundes, der Konferenz Europäischer Kirchen und des Weltkirchenrates. Partnerschaftliche Zusammenarbeit verbindet sie mit der Landeskirche Braunschweig, der Landeskirche Hannovers und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in den USA.

Quellen: Imagebroschüre Schlesische Evangelische Kirche A.B. (gekürzt)